Auszug aus "Die Prophezeiung"

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"An dem Tag, an dem dein Bruder starb, hast du die letzte Seite deines Buches aufgeschlagen. Doch diese Seite war leer.

Diese letzte Seite ... Ein weißes Blatt Papier im "Buch deines Lebens". 

Tage, Wochen, Monate starrtest Du diese Seite an und sahst nicht, wie sie sich Tag für Tag, Stunde um Stunde unaufhörlich mit unsichtbaren Worten füllte."

 

"Der, der seinem Schicksal entkam ... Die Tat eines Feiglings offenbart.

Es war dein Kamerad und Freund, es war dein Bruder,  der Deinen Tod starb!

Jeden Tag, den Du bis zu deinem eigenen Tode lebst, wirst Du als Strafe empfinden.

Jeder deiner Atemzüge, wird bis zum letzten schmerzhaft sein.

Brechen wirst Du unter jener Last, der Schuld bis zum letzten deiner Tage ...

und erst im Angesicht des Todes, wird man sie hören, deine Seele, wie sie schreit.

Der Tod, deine Erlösung ... möge man deiner armen Seele verzeihen."

 

"Die Wege, welche wir im Leben gehen, durchschreiten wir ohne zu wissen, dass wir sie uns selbst vorher bestimmt haben. Alles kommt zu seiner Zeit. Was und wann auch immer es ist. Er wird Dir vergeben. Irgendwann, wird er Dir vergeben.", sprach Xeria und sah Jaron an.

 

"Wer? Wer wird mir vergeben?", fragte er sie mürrisch. 

 

"Ihr wolltet, dass ich sehe und ich begann zu sehen. Doch das, was ich sah, war jenseits des Guten und ich wünschte, ich hätte es nicht gesehen.", fuhr sie unbeirrt fort.

 

" Was hast du gesehen? Wovon sprichst Du?", fiel Jaron ihr erneut ins Wort.

 

"Ich sah, wer Du wirklich bist. Warum Du die ganze Zeit darauf drängtest, dass ich sehe. Ich begann deine Wut zu verstehen. Deine Zweifel ..."

 

Jaron unterbrach sie erneut.

 

"Bist Du dir da so sicher? Denn, wenn es so ist, dann brauchst Du uns nicht mehr. Doch ich muss dich warnen, gib Acht, dass Du dich nicht selbst zerstörst! Du scheinst nicht zu wissen, was Du tust."

 

Xeria sah Jaron an. In seiner Stimme klang Enttäuschung. Er hatte sie fest im Blick und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie er innerlich bebte.

 

"Für Dich stellte sich nicht die Frage nach dem Warum, für Dich galt nur Fakt.", begann Xeria erneut.

 

"Der wäre ...?", fiel ihr Jaron ins Wort. 

 

Xeria Stimme wurde nun lauter und ungehaltener. 

 

"Lass mich doch einmal ausreden!", fuhr sie Jaron an. Ihre Stimme bebte vor Wut.

"Warum zum Teufel ist es so schwer, mir einmal zuzuhören?

 

Deine Zeit war abgelaufen ... längst abgelaufen und das weißt und wusstest Du genauso gut, wie ich. Du musst es wissen. Denn kurz nach Leonias Tod, habe ich Dir deinen prophezeit. Erinnerst Du dich daran? An die Vision? Der Krieger der aus dem Licht kam. Ich habe diese Bilder nie vergessen, bis heute nicht. Das grelle Licht aus dem er kam. Wie er im nächsten Bild zusammenbrach und wie im dritten Bild, jemand vor einem Feld Grab saß. Es war dein Freund und Kamerad, dein Bruder, der an deinem Grab saß und nicht Du an seinem.", erinnerte sich Xeria laut und sprach weiter.

"Nichts anderes habe ich gesehen und erkannt. Jeden Tag habe ich gebetet, dass es nicht passieren würde. Für jeden Tag, der verging und den Du überlebtest, dankte ich Gott.", Xeria unterbrach sich selbst und sah in den Himmel.

 

Abenddämmerung überzog allmählich das Land und tauchte den Himmel in ein faszinierendes Farbenspiel. Stumm sah Xeria Jaron an und versuchte in seinem Gesicht und seiner Körperhaltung zu lesen. Jaron senkte seinen Blick um ihren auszuweichen. Langsam aber bestimmt trat sie  nah an ihn heran. So nah, dass er nicht mehr ausweichen konnte und sprach fast flüsternd.

"Du hast es gespürt. Du wusstest, dass es dein letzter Einsatz sein würde. Du bist Seher. Warum hast du es nicht gesehen? Ich verstehe es nicht. Erkläre es mir!"

 

Jaron presste seine Lippen zusammen. Blass und zitternd, sah er Xeria an und sie sah in seine Augen. Wut stieg in ihr auf und sie musste sich zusammenreißen. 

"Du hast deinen eigenen Tod kommen sehen. Wusstest Du, dass dein Bruder an deiner Stelle ging?"

 

Jaron schwieg und Xeria führte ihre Wutrede fort.

 

"Du wusstest es und hast es nicht verhindert. Wohl wissend und billigend in Kauf nehmend, dass er statt deiner stirbt!? Gott ... das ist erbärmlich und feige, Jaron. Du wusstest von seinen Gefühlen für mich, nicht wahr? Mayra hat es mir mal erzählt. Ich weiß gar nicht mehr genau wann das war. Sie hat mir so viele Dinge erzählt. Sie erzählte mir, dass Du die Gespräche zwischen ihr und deinem Bruder mit anhörtest und dabei immer mehr in dich zusammen sankst und still wurdest. Aber weißt Du, was ich glaube? Ich glaube das diese Stille nur eine Fassade war. Wie eine Art Mauer. Denn in deinem inneren begann ein erbitterter Krieg zu toben. Du warst rasend vor Eifersucht, Jaron. Du sagtest nichts, weil es dein Bruder war, der doch eigentlich wissen sollte, dass ich zu Dir gehörte. Es gefiel Dir ganz und gar nicht, dass er immer mehr Gefühle für mich entwickelte und er euch ...", Xeria verstummte. 

 

"Hat mich mal jemand dazu gefragt? Hat mich mal irgendjemand von euch gefragt, wie es um mich und meine Gefühle stand? Hat es irgendjemanden interessiert?" Xeria's Stimme wurde von Frage zu Frage lauter und zorniger. 

"War das der wahre Grund, warum er sterben musste?" 

 

"Du verstehst das nicht, Xeria. In meinem Kopf waren tausend Dinge. Meine Gefühle zu Dir, Leonias Tod, unsere Aufgaben. Wie soll ich Dir das erklären, damit Du es verstehst? Unser Leben ist nichts wert. Wir dürfen weder Gefühle haben, noch dürfen wir Gefühle zeigen.", fiel Jaron ihr abermals ins Wort. "Wir dürfen nichts fühlen, sonst sind wir verloren."

 

"Das ist ein Grund, Jaron, doch er rechtfertigt nichts! Du bist selbst ein Auserwählter ... Wie lange schon drängst du darauf, dass ich sehe? Es machte dich wütend, dass ich nicht erkannte, was ich sehen sollte. Warum nur? Ich habe es ewig nicht verstanden. Doch jetzt ergibt es so langsam ein klares Bild und vor allem beginnt es einen Sinn zu ergeben. Ich verstehe langsam, warum ihr mich bloß gestellt und verurteilt habt. Für einen Fehler, der keine Absicht war! Dabei war und bin ich frei von jeder Schuld. Ich trug zu keiner Zeit die Schuld an irgendetwas. Das war alles nur ein perfider Plan. Ihr brauchtet einen Sündenbock um von euren eigenen Fehler abzulenken."

 

"Das stimmt so nicht.", wandte Jaron ein. 

 

"Was stimmt so nicht?", fiel Xeria ihm wütend ins Wort.

 

"Du hättest nicht ...", versuchte er erneut den Satz zu beginnen. Doch Xeria war mittlerweile so aufgebracht, dass es für sie kaum mehr ein halten gab. Wütend und laut machte sie ihrem angestauten Ärger Luft.

"Was hätte ich nicht? Euch vertrauen sollen? Euch begegnen? Euch retten? Euer Leben verändern? Was? Was, verdammt hätte ich nicht?

 

Ich kann euch sagen, was Ihr nicht hättet tun sollen. Aber es war einfacher für euch eine Person an viele anzupassen als viele an eine! Wie oft habt ihr mich belogen? Habt ihr tatsächlich gedacht, ich würde nicht dahinter kommen? Ist euch irgendwann entgangen, wer ich bin? Mich in meinen Fähigkeiten zu unterschätzen und meine Gabe anzuzweifeln, war ...", Xeria unterbrach sich selbst. 

 

"Was?", fragte Jaron.  

 

"Das ist im Moment nicht von Wichtigkeit.", versuchte Xeria, die verfahrene Situation zu beschwichtigen.

"Es gibt unzählige Dinge, welche mir auf der Seele brennen. Unendlich viele Fragen, auf welche ich eine Antwort suche. Was ihr über mich wisst, sind Daten und Zahlen aber nur wenige, zu wenige Fakten.  Ihr habt erkannt, dass ich anders bin aber ihr habt nicht gesehen oder nein, besser gesagt, ihr habt nicht damit gerechnet, wie nahe ich euch kommen würde. Ihr habt nicht damit gerechnet, wie tief ich in euer Geheimnis eindringen werde. Ich denke, dass ist einer der Gründe, warum ihr mich bloß gestellt habt. Ihr dachtet, ich würde schon irgendwann aufgeben. Das aber zeigt nur, wie wenig ihr mich doch wirklich kennt. Alles, was für dich zählte, war dass ich eine Auserwählte bin und ich es einfach sehen und spüren musste. Ihr wisst so vieles und doch so wenig, Jaron." seufzte Xeria.

 

"Richtig ist, dass meine unbegrenzte Neugier und die daraus resultierende Suche nach Antworten auf all meine Fragen, mir eines Tages zum Verhängnis werden könnte. Richtig ist auch, dass ich manche Dinge erst sehr spät erkannt habe. Aber das hat auch einen guten Grund.

Wie oft habe ich Dir gesagt, dass sich mir die Dinge aus dem Nichts heraus offenbaren? Wie oft habe ich versucht deutlich zu machen, dass nicht ich den Zeitpunkt bestimme, wann ich etwas sehe oder erkenne. Der Zeitpunkt bestimmt sich immer selbst. Das solltest Du eigentlich wissen, Jaron. Ich wachse stetig und entwickle mich immer weiter.", Xeria seufzte erneut. Ihre Stimme wurde ein wenig ruhiger, 

 

"Ich habe euch blindlings vertraut. Jedem von euch." Jaron sah Xeria an.

"Bist Du fertig? Ich hab nicht ewig Zeit."

Diesen Unterton kannte Xeria. Gekränkt, beleidigt, genervt. Es würde unweigerlich zum riesen Knall führen. 

 

"Du bist vom Thema abgekommen. Was hast du noch gesehen? Das war doch noch nicht alles, oder? Und wer? Nein, warte woher kommen die unsichtbaren Worte auf dem leerem Blatt Papier?", fragte er mit eisigkaltem Ton. 

 

"Von mir sind sie nicht, diese Worte ..." begann sie ihre Antwort. 

 

"Komm erzähl es mir, ich will wissen, was Du noch erkannt und gesehen hast.", provozierte er. Doch Xeria antwortete auf diese Frage, sehr ruhig.

 

"Diese unsichtbaren Worte, mein lieber Jaron, schrieb der, der eines Tages entscheiden wird, was mit deiner Seele geschieht."

 

"Ich werde gehen. Es scheint, Du hast mir nichts anderes zu sagen. Nichts außer Vorwürfe. Aber gut, bin ja selbst daran schuld.", entgegnete ihr Jaron unvermittelt und überraschend.

 

"Warte!", entfuhr es Xeria. Sie trat einen Schritt zurück, sah Jaron an und trat erneut an ihn heran.

 

"Was ist hier eigentlich das Problem?"

 

"Ich habe kein Problem. Wie kommst Du darauf, dass ich ein Problem hätte?"

 

Xeria griff nach seinem Arm. "Du gibst mir die Schuld?"

 

Erneut stieg Wut in ihr auf. " Wer hat mich denn, wie Luft behandelt? Wer hat mich denn für jeden Fehler verurteilt? Wer hat sich aufgegeben, weil er keinen anderen Ausweg aus seiner eigenen Schuld mehr sah? Hast Du eigentlich irgendwann einmal mitbekommen, wie sehr ich darunter gelitten habe? Hast Du jemals meine Tränen gesehen, die ich wegen Dir vergossen habe? Hat es dich irgendwann einmal interessiert? War irgendjemand für mich da? Hat sich irgendjemand für mich als Mensch interessiert? Und dann gibst Du mir die Schuld? Wir hatten doch nie eine reale Chance. Nie!", wütend ließ sie von ihm ab. Sie fand keine Worte mehr. Ihr Körper zitterte so stark vor Aufregung, dass sie jeden Moment zusammenzubrechen schien.

 

"Oh doch, die hatten wir. Aber nun ist es zu spät. Du hast mein Herz für immer gebrochen. Das wird nie mehr heilen. Nie mehr!", antwortete er mit bedrückter Stimme. Sein Blick ruhte einen Moment lang in ihren Augen bevor er sich an ihr vorbei in der Leere verlor.

 

"Es ist zu spät, Schatz. Es ist zu spät. Ich werde gehen, es ist das beste so, wenn ich gehe. Lebe wohl!", mit diesen Worten drehte er sich weg und ging.

 

"Schatz? Seit wann nennst Du mich denn wieder Schatz?", fragte Xeria ihm erstaunt hinterher.

 

"Da siehst Du mal, wie es sich anfühlt, wenn man immer nur mit Vorwürfen konfrontiert wird. Nur entsprechen meine wenigstens der Wahrheit.", rief Xeria ihm aufgebracht nach, während er in der Dunkelheit verschwand.

 

"Ja, geh nur ... Das konntest Du schon immer gut ... weg gehen, wenn es kompliziert wurde.", wurde ihre Stimme zwar leiser aber keineswegs ruhiger.

 

"Er ist verletzt und sauer.", erklang plötzlich eine andere Stimme aus dem dunklen Nichts. 

"Mayra!", erkannte Xeria sie an der Stimme und fuhr herum. Mayra trat aus der Dunkelheit in das fahle Licht der Straßenbeleuchtung.

"Hast Du das Gespräch mit angehört?" Und was heißt hier Sauer? Wenn hier einer einen Grund hätte sauer zu sein, dann ja wohl ich, findest Du nicht?", fragte Xeria sie.

"Nicht das ganze um deine erste Frage zu beantworten. Ich kann euch beide verstehen. Es ist, war, wie soll ich sagen, nicht gerade einfach für euch beide." entgegnete ihr Mayra.

 

„Aber ich weiß, was in ihm vor geht. Er redet oft über Dich, wenn wir uns treffen.“

„Aha!“ entfuhr es Xeria. „Er redet mit dir über mich statt mit mir selbst. Mir scheint, es hat jeder mit dir über mich gesprochen. Jeder hat sein Herz bei dir ausgeschüttet. Aber mit mir sprachen sie über andere. Samael über Timea, Jaron über Leonia ... nur Simeon verbarg seine Gefühle nicht, obwohl er wusste das mein Herz vergeben war.“ führte Xeria ihren angefangenen Satz fort. „Vielleicht war ...“ Xeria verwarf den Gedanken, der ihr augenblicklich durch den Kopf jagte sofort wieder. „Aber weißt Du, Mayra ich bin es einfach leid ...“

„Xeria!“ fiel ihr Mayra mit erhobener Stimme mahnend ins Wort. „Du weißt, dass wir weder Gefühle haben noch Gefühle zeigen dürfen. Wir werden darauf trainiert, ein Herz aus Stein zu haben. Wir haben kein Leben. Im Grunde sind wir Nichts. Wir existieren nicht. Kein Hahn wird nach uns krähen, wenn wir im Kampf unser Leben lassen. Du bist ...“, Mayra beendete den Satz abrupt. Einen Moment lang schwieg sie, den Kopf gesenkt. Sie begann in ihrer Tasche zu kramen und holte ein Päckchen Zigaretten hervor. Sie zündete sich eine an und hielt Xeria die Schachtel entgegen.

Die Hände erhebend lehnte Xeria ab. Mayra zog an der Zigarette und stieß den Rauch in die Luft. Gerade als Xeria etwas sagen wollte, setzte Mayra ihren Satz fort.

“... und dann tauchtest du plötzlich aus dem Nichts auf. Mit deiner Art, die Menschen verzaubert und ihnen ein Lächeln schenkt, selbst in den schwersten Stunden. Alle redeten damals nur noch von dir. Jeder der mit dir in Kontakt kam, wurde plötzlich von Mut und Hoffnung durchströmt. Egal, wer es war … ob Jaron, Simeon oder Samael, alle redeten einfach nur noch von dir. Hart gedrillte Männer, die plötzlich Gefühle zeigten.“

„Aber …“, wollte Xeria einwenden. „Du hast aus Maschinen, Menschen gemacht, Xeria. Du hast mit deiner Art, leblose Steine zum Leben erweckt." Mayra unterbrach erneut ihren Satz. „Ich muss los. Tut mir leid.“

 

„Warum? Was ist los?“ fragte Xeria sichtlich irritiert.

 

„Ein Notfall … ich muss sofort zurück.“ Mayra drückte hastig ihre Zigarette aus und entschwand ebenfalls in die Nacht. Nachdenklich sah Sara ihr nach. Es war kühl geworden. Oder kam es ihr nur so vor? Sie verschränkte die Arme um sich selbst ein wenig zu wärmen und begab sich langsam auf den Weg nach Hause.

 

Während des Gehens versank sie immer mehr in Gedanken und nahm ihre Umgebung kaum noch wahr.  Der Streit hing fest in ihrem Kopf. Gedankenversunken wurde ihr Gang, Schritt um Schritt langsamer. Als sie plötzlich über etwas stolperte. Erschrocken blickte sie auf. Doch da war nichts worüber sie hätte stolpern können. Absolut nichts. Sie sah sich um. Keine Menschenseele weit und breit zu sehen. Nichts. Dann hob sie ihren Kopf und sah nach oben.

Im fahlen Licht der Straßenlaterne, sah sie etwas, was aussah wie eine Feder. Es wehte kein Wind. Nicht einmal ein Hauch eines Lüftchens war zu spüren. Und doch fiel diese kleine Feder, wie vom Winde getragen sanft zu Boden. Xeria sah auf die Feder.

 

„Was ist das? Sind sie bei mir? Die Engel?  Sind die Engel, bei mir?“, schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Sie spürte ein Art Erleichterung. Vorsichtig, als wäre diese Feder aus Glas hob sie, sie auf und legte sie auf ihre Handfläche. Für einen Moment schloss sie ihre Augen um den Engeln für dieses Zeichen ihrer Anwesenheit zu danken. Eine wohlige Wärme durchströmte einen Moment lang durch ihren Körper. Als sie die Augen wieder öffnete, war die Feder verschwunden und auch die Wärme, die so eben noch durch ihren Körper drang, verschwand wieder. Stattdessen kroch die Kühle der Nacht zurück in ihren Körper und hüllte sie vollends ein. Das verschränken der Arme, um sich selbst ein wenig aufzuwärmen brachte nichts mehr. Eilig begab sie sich auf den Weg. Zu Hause angekommen entschloss sie sich zu einem heißen Bad und verweilte anschließend noch kurz in ihrem Arbeitszimmer. Die Gedanken fuhren nahezu Achterbahn in ihrem Kopf. Alle Gedanken verschwammen, verloren sich kurz in der Ferne und kehrten zurück. Müde und erschöpft, ging Xeria schließlich zu Bett. Sie lauschte noch einen kurzen Moment in die Stille. Dann schloss sie ihre Augen.

 

Es dauerte nicht lang, eigentlich war sie müde und wollte nur noch schlafen, als vor ihrem geistigen Auge plötzlich ein Rabe auftauchte. Erschrocken riss sie ihre Augen wieder auf. „Was war das? Das war doch ein Rabe. Warum taucht plötzlich ein Rabe auf?“  Böses erahnend schloss sie ihre Augen wieder. Die Müdigkeit zwang sie ohnehin dazu. Sie sah noch wie der Rabe verschwand. Doch als nächstes tauchte nun ein Adler auf. Wieder riss sie ihre Augen auf. „Ein Adler! Was hat das zu bedeuten? Zuerst ein Rabe, jetzt ein Adler … was zum Teufel ist  …, da kommt noch mehr …“ , sagte ihr Gefühl und schloss erneut ihre Augen.

Ein grelles Licht erschien vor ihrem geistigen Auge. Sie kannte dieses Licht. Es war dasselbe Licht aus dem damals der Krieger kam. Dieses Mal tauchte ein Engel mit schwarzen Flügeln in diesem Licht auf und verschwand auch wieder in diesem. Nicht einmal einen Wimpernschlag darauf, erschien ein rein weißer Engel aus dem Licht und verschwand augenblicklich wieder in diesem und mit ihm verschwand auch das Licht und alles wurde wieder dunkel. „Nein!“, riss sie ihre Augen auf und schloss sie wieder. Doch das Licht war weg. Erneut öffnete sie ihre Augen und schloss sie. Nichts. Das Licht war verschwunden und mit ihm auch die beiden Engel. Sie lag in ihrem Bett. Die Müdigkeit schlagartig wie weggeblasen. „Nein! Das kann nicht sein.“ schoss es ihr durch den Kopf. „Nicht beide auf einmal!“ Wie erstarrt lag sie in ihrem Bett und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. „Der Engel mit den schwarzen Flügeln ... ist das Jaron?“ fragte sie sich bei nahe fassungslos. „... und der weiße Engel ist Timea?  Und ich kann nichts für die beiden tun?“, Xeria setzte sich auf. „Aber der Rabe und der Adler sind mir unklar. Was haben ein Rabe und ein Adler ...“ Fassungslos schüttelte sie den Kopf. An Schlaf, war jetzt nicht mehr zu denken. Minuten lang saß sie auf ihrem Bett. Immer und immer wieder die Bilder vor ihrem Auge wiederholend. Sie wollte sich eigentlich wieder hinlegen, doch die Bilder, ließen sie nicht los. Sie verschwanden einfach nicht aus ihrem Kopf. Somit stand sie schlussendlich auf und begab sich in die Küche. Sie machte sich eine Tasse Tee und setzte sich an den Tisch. Die Bilder im Kopf versank sie in Gedanken und erschrak förmlich als sie eine Erkenntnis ereilte.

 

 

„Die Dinge, welche du in deinen Träumen siehst, kannst du beeinflussen. Je nachdem, was es für ein Traum ist. Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Doch eine Vision, ist wie sie ist. Du kannst nicht eingreifen und nichts verhindern. Sie ist Zeitlos und unaufhebbar! Sie ist das Schicksal dessen, den du siehst.“

 

Erschrocken von der Erkenntnis und müde von allem hielt Xeria sich die Hände vor das Gesicht. „Wie soll ich denen, das nur sagen, was ich heute Nacht gesehen habe?“, fragte sie sich. Sie trank ihren Tee aus und ging ins Bad. Müde betrachtete sie einen Moment lang ihr Spiegelbild. „Blaue Augen … dem Himmel so nah.“ dachte sie sich und senkte ihren Kopf schüttelnd. Sie löschte das Licht und ging zu Bett. Nicht ahnend dass der Alptraum noch nicht zu Ende war. Sara hatte vielleicht zwei Stunden geschlafen als sie aufwachte. Jedoch war das Aufwachen ein wahrer Kampf zwischen ihr und dem Traum. Dieser Traum hatte eine Macht über sie von unvorstellbarem Ausmaße. Regungslos und starr lag sie im Bett. Das Herz pochte spürbar. Es war unmöglich im ersten Moment auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Der Versuch aufzuwachen hatte sie jede Menge wertvolle Kraft gekostet.

 

 

Was war passiert?

 

Im Traum waren ihr, wie schon des Öfteren, einige Menschen begegnet, die ihr bis auf einen gänzlich unbekannt waren. Sie feierten und lachten zusammen. Zu vorgerückter Stunde verabschiedete sie sich von der Gruppe und begab sich in ihr Zimmer. (?) Sie hatte die Tür des Zimmers jedoch nicht abgeschlossen und saß in der Dunkelheit, als würde sie auf etwas oder jemanden warten. Als sie plötzlich Schritte hörte. Sie kamen dem Zimmer immer näher und blieben schließlich vor der Tür stehen. Ihr Herz fing an zu pochen und sie starrte regungslos zur Tür. In ihrem Kopf begann ein Gedanke zu hämmern. „Schließ- ab. Du musst die Tür abschließen! Wenn er durch diese Tür kommt, ist alles vorbei.“ Aber sie war wie erstarrt und konnte sich keinen Millimeter bewegen. Unentwegt starrte sie zur Tür und wartete darauf das er (wer auch immer er war) herein kam. Doch dieser ER ging wieder weg. Für einen Moment hörte sie nichts. Keine Schritte, kein Rascheln nur das pochen ihres Herzens. Dann fiel ihr plötzlich auf das neben der Tür ein Fenster oder ähnliches war, was nur mit einem Vorhang verdeckt war. Dieser Vorhang bewegte sich. Ohnehin schon Bewegungsunfähig fuhr ihr die aufsteigende Angst noch tiefer in die Glieder.

 

Wieder hörte sie die Schritte, wie sie näher kamen und schließlich vor der Tür stehen blieben.

Wach auf … das ist nur ein Traum … du musst aufwachen“, schoss es ihr durch den Kopf. Es schien zu funktionieren, denn sie öffnete für ganz kurz, für Sekunden die Augen. Sie spürte jedoch, wie sich die Augen verdrehten und war sofort wieder weg. Zurück in dem Traum. Wieder hörte sie Schritte. Dann blieb ER vor der Tür stehen. Kurz darauf ging ER auf und ab und blieb wieder stehen. Noch immer war die Tür unverschlossen und sie musste diese Tür abschließen. Nur wie? Würde sie sich bewegen, könnte ER sie hören. Also blieb sie regungslos und starrte auf die Tür. Er ging weg … „Du musst aufwachen. Wach auf. Das ist nur ein Traum. Wach auf.“ und wieder dasselbe Drama. Sie öffnete kurz die Augen und war sofort wieder weg. Das ganze wiederholte sich einige Male. Mal sah sie zur Tür, mal zum Vorhang … das Herz pochte unaufhörlich … „Durch beide „Eingänge“ kann er herein kommen. Ungehindert! Ich kann keinen der „Eingänge“ verschließen.“ Als nächstes sah sie nun ein Licht, welches durch einen Spalt in der Tür drang. Schritte … Licht … sie war, wie gelähmt. „Gleich kommt er herein … Du musst aufwachen … WACH AUF … lass die Augen auf … nicht wieder einschlafen. Bleib wach … bleib hier … aufwachen.“ Endlich schaffte sie es aus diesen Traum aufzuwachen und die Gedanken prasselten auf sie hernieder, wie ein Feuerregen. Völlig apathisch lag sie im Bett. Noch immer nicht in der Lage sich zu bewegen, versuchte sie wenigstens über ihre Gedanken, Herr der Lage zu werden. Das Herz pochte und es vergingen Minute,  bis sie sich einigermaßen unter Kontrolle hatte und aufstehen konnte.

 

 

Wie benebelt und mit den Gedanken bei diesem Alptraum stand Xeria auf und ging in ihr Arbeitszimmer. „Ich muss das aufschreiben.“ ihr Körper zitterte. Noch immer saß der Schock tief in den Gliedern.

Xeria setzte sich an ihren Schreibtisch und begann mit zitternden Händen zu schreiben, was ihr so eben widerfahren war. Während sie den Traum aufschrieb, durchlebte sie jedes einzelne Bild noch einmal. Diese Angst … die Panik … „Warum habe ich die Tür nicht verschlossen? Warum konnte ich sie nicht abschließen? Wer war das vor der Tür? War das Jaron? Wollte er sich an mir rächen? Wollte er mich töten? Ich bin in großer Gefahr!“ während sie sich all diese Fragen stellte und wieder und wieder die Bilder durchlief, begann sie zu verstehen. „Der, der vor meiner Tür stand, war jemand, der mir nichts gutes wollte, doch er schaffte es nicht herein zu kommen. Meine Schutzengel haben es verhindert. Es gibt nichts an diesem Traum, was ich nicht verstehen könnte. Mein erster Gedanke hat zu 100% ins schwarze getroffen. Wäre ich zur Tür gegangen um sie abzuschließen, wäre er herein gekommen und hätte mich gekriegt! Ich habe keinerlei Zweifel. Aber war es Jaron? Ich kann das nicht glauben, dass kann unmöglich Jaron gewesen sein. Meine Schutzengel haben es verhindert.“ Xeria verbrachte die nächsten Stunden in ihrem Arbeitszimmer. Die meiste Zeit starrte sie in Gedanken vor sich hin. „Sollte sie den "Anderen" davon erzählen?“ überlegte sie und verwarf den Gedanken sofort wieder. Die Zeit verstrich … und die Nacht hatte deutliche Spuren hinterlassen.

 

Es war bereits Mittag als sie völlig geschwächt und übermüdet ins Bett kroch.